Ich habe ein neues Lieblingswort: Convenience
Erst letztens hab’ ich mit einem Kollegen auf Arbeit kurz darüber philosophiert, denn ich arbeite ja in einem Convenience-Store, also einem Geschäft, das Dinge anbietet, die nicht zwangsläufig lebensnotwendig aber bequem und zudem sogenannten Verbrauchsgüter sind (Tabakwaren, Luxusartikel, Snacks und Presseerzeugnisse). Wörtlich übersetzt heisst es Bequemlichkeit/Komfort (oder Angemessenheit). Convenience ist das C in QVC. Wir alle konsumieren Convenience-Food, also Nahrung, die zu einem gewissen Grad zugunsten unserer Bequemlichkeit prepariert wurde. Vorbereitet, vorgeschnitten, vorgekocht und gelegentlich auch schon mal vorgegessen. Auch in Schnellrestaurants, Supermärkten, ja eigentlich überall, begegnet uns Convenience. Warum? Weil sie uns ach so beschäftigte Menschen von den Fesseln der mit der eigenen Lebenshaltung verbundenen Pflichten partiell oder komplett entbindet, so dass wir mehr Zeit auf Facebook totschlagen, im Auto/Zug verplempern oder vor dem Fernseher wegratzen können. Das ist der Fortschritt. Richtig konvenient (meiner Meinung nach die eingedeutschte Form meines neuen Lieblingswortes) wird es ja, wenn funktionale Nahrung gleich mal unseren ganzen Tagesbedarf deckt: An Obst (in Flaschen), an Milch (in Bechern) und den Vitaminen A bis Zink nebst Ballaststoffen und Spurenelementen. Aber ich weiche vom Thema ab, Convenience ist meiner Meinung nach das Schimpfwort der modernen Konsumgesellschaft, die sich offenbar durchaus bewusst ist, dass sie für weiterhin steigende Konsum mehr als nur die vorhandenen Bedürfnisse der Zielgruppe erfüllen muss. Sie muss Neue schaffen. Und diese bewerben.
Womit wir beim zweiten Thema wären: Marketing
Letzte Woche rief mich ein Call-Center-Agent an (zu einem sehr inkonvenienten Zeitpunkt, denn ich wollte gerade das Haus verlassen) um mich über ein neuen Rabattsystem zu informieren, mit dem ich bei Strom, Sprit und wasweißichnoch prima sparen könnte. Weil ich weiß, dass diskutieren bei diesen Herrschaften immer länger dauert und ich auflegen trotzdem unhöflich finde, lies ich ihn seine Sätze runterrattern und schob kurz Interesse-heuchelnde Wortfetzen ein, in der Hoffnung er würde mir das alles schriftlich schicken wollen, damit ich es umweltschonend dem Papiermüll hinzufügen könnte. Tatsächlich hatte der strebsame Mann auch schon meine Adresse, die er mir zu Überprüfung vorlas, fragte dann nach meinem Geburtsdatum, woraufhin ich ihm wahllos eines nannte und er nur “Dann stimmt das auch…” erwiderte. Dann kam die Gretchenfrage und fast beiläufig bat er mich um Angaben zu meiner Bankverbindung, damit man mir die Rabatte gutschreiben könne. Ich fragte nach, ob es denn wirklich sein Ernst wäre, von mir hier und jetzt am Telefon meine Bankdaten zu erfahren, was er bejahte. Höflich aber prägnant erklärte ich, dass das nicht meiner üblichen Verfahrensweise entspräche und ich mich ausschließlich schriftlich von meinen Bankdaten trenne. Da war der Herr dann nicht mehr ganz so höflich, ich aber wiederholte meine Auffassung und fügte hinzu, wenn es denn keine andere Möglichkeit gäbe, dann könnten wir das Gespräch auch jetzt gleich beenden. Das wollte er dann doch nicht auf sich sitzen lassen, warf mir noch einen Schwall unhaltbarer, unsinniger und unhöflicher Sprüche um die Ohren und erst als ich ein weiteres Mal anhob meinen Standpunkt darzulegen legte mein Gegenüber kommentarlos auf. War auch in Ordnung, ich hatte es ihm ja selbst nahe gelegt. Trotzdem ärgerte ich mich dann doch ca 12 Minuten meines Lebens mit diesem Gespräch vertan zu haben.
Unnötig zu sagen, dass ich diese Art des aggressiven Marketing zutiefst verabscheue. Obwohl unser Alltag ja voll ist von mehr oder weniger agressiven Konsumanreizen. Zumindest im Netz kann ich sie – Adblock sei Dank – einfach wegschalten. Im Fernsehen ignoriere ich eh fast das komplette Programm, das ja hauptsächlich aus Werbung besteht, die hin und wieder durch Sendungen unterbrochen wird (in denen aber dann auch schleichbeworben wird). Ich denke über kurz oder lang stirbt Werbung aus, denn für mich persönlich ist nur wichtig, dass ich ein Produkt gut finde, wenn ich es suche. Wenn ich es nicht suche, dann überzeugt mich auch keine Werbung und kein Marketing der Welt von der Notwendigkeit einer zeitnahen Anschaffung.
Und manchmal glaube ich, dass alles ist einfach nur ‘public convenience’. Das heisst nämlich nichts anderes als öffentliche Toilette. How angemessen, äh, convenient.