Ich räume sehr ungern auf. Denn mich beschleicht immer das Gefühl, mit irgendeiner Sache auch eine Erinnerung wegzuwerfen und wer mich kennt, der weiß, dass ich sehr leicht Dinge vergesse und folglich könnten so leicht Gedanken verloren gehen.
Wie auch immer, nach meiner vollendeten Bachelorarbeit wollte ich eigentlich nur die Bücher ins Regal stellen, die Wochenlang auf meinem Tisch hübsch übereinander gestapelt lagen und ich stellte fest, dass sie nicht hinein passen. Ich besitze relativ viele Schränke, aber die sind offenbar alle gut gefüllt. In meinem Bücherregal stehen alle Bücher, die ich jemals geschenkt bekommen, gekauft, gefunden oder geliehen und nicht zurückgegeben habe. Seit ca. 1988. Das bedeutet es tummeln sich das “Riesengroße Rätselbuch” und diverse “Bummi”-Sammelbände zwischen Pumuckl, Momo und Sophies Welt, gerahmt von Kochbüchern wie “Berliner Küche” oder “100 Pastarezepte” und kontrastieren damit das “MS-DOS 5.0 Benutzerhandbuch”, “AJAX in Action” oder “Understanding Media” von McLuhan. Natürlich dürfen auch Standardwerke wie die “Chronik ’88”, diverse Lexika und Rechtschreibschinken oder die gesammelten “Star Trek Fakten und Infos” nicht fehlen.
Die waren alle irgendwann mal annähernd chronologisch geordnet, vielleicht war das aber auch in einem anderen Paralleluniversum, heute hat jedenfalls die Entropie in meinem Regal die Überhand.
Um nun also die neuen Bücher dort noch hineindrücken zu können, müßten einige der älteren Werke in andere Schränke abwandern. Um dafür Platz zu schaffen, habe ich widerwillig alte Zeitschriften aus dem Schrank gefischt (u.a. PC Games, PC Action und PC WELT der letzen 10 Jahre) und bin dabei auf meine Sammlung alter Schulhefte und -ordner gestoßen, die ich bislang erfolgreich gegen jede Aufräumtätigkeit verteidigen konnte. Ich habe so ziemlich jeden Hefter, jedes Heft und jeden Schreibblock aus jedem Schulfach seit der 6. Klasse aufbewahrt und angesichts der Tatsache, dass ich ja nun nah dran bin mein erstes Studium abzuschliessen, schien es mir plötzlich emotional möglich, die alten Schätze (z.B. Latein 10 Klasse, nutzlose Sprache aber tolle Noten) mal zu sichten.
So brachte ich etwas mehr als eine Stunde mit der Inspektion zu und muß gestehen, dass ich es nicht über mich bringen konnte alles restlos zu entsorgen. Letztendlich transportierte ich dann aber doch geschätzte 150 bis 200 kg Papier auf die Strasse. Ich teile mein Problem des “Nicht-Wegwerfen-Könnens” ja augenscheinlich mit 80 Millionen Deutschen, denn unser gesamtes Müllsystem funktioniert nicht etwa nach dem “Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn”-Prinzip, nein: Wir recyclen!! Wir sind ein Volk, ach was, DAS Recycling-Volk auf diesem Planeten und dahinter verbirgt sich meiner Meinung nach die Hoffnung, dass man früher oder später wieder mal auf seinen Müll trifft und sich so nie wirklich von etwas verabschieden muss. Wie sonst ist es zu erklären, dass wir Deutschen ganz bereitwillig unseren Müll trennen (Papier, Weissglas, Buntglas, Verbundstoffe und Dosen, also alles mit dem grünen Punkt; Hausmüll, Biomüll, Elektromüll und Sperrmüll um nur einige zu nennen) obwohl wir doch sonst so vehement gegen jegliche Form von Diskriminierung sind?? Da werden Familien von Verpackungen auseinandergerissen, nur weil der eine aus Glas und der andere aus Karton ist. Da müssen Teebeutel akribisch seziert werden (vlg. Otto Waalkes: Tee, Beutel, Altmetall, Altpapier und Altschnur) und es gibt offenbar keine Lobby für Müll, sonst würden wir wohl regelmäßig Demonstranten begegnen, die fordern, dass die Cornflakestüte mit der Cornflakespackung zusammenbleiben darf. Ich denke, mein Punkt ist hier klar.
Meine Erinnerungen waren übrigens fast vollständig aus Papier, und werden mir daher sehr wahrscheinlich nochmal wieder als Zeitung oder Getränkekarton begegnen. Wahrscheinlich sogar die Plastehefter, die ich natürlich separat in der gelben Tonne beerdigt habe. Denn wenn ich mich trenne, dann wenigstens richtig.