Ich glaube ja, dass man im Leben niemals ernsthaft etwas abschließt sondern es lediglich für eine Zeit links liegen lässt. So führe ich diverse Listen von angefangenen Gedanken und Vorhaben, die ich dann meist schnell vergesse bis sie mich irgendwie wieder einholen. “Understanding Comics” ist so ein Fall. Das Buch bzw. der Titel sind mir schon mindestens zwei Mal über den Weg gelaufen, beide Male als Buchtipps eines Dozenten bzw. eines Referenten aus der Computerspielebranche. Ich habe mir immer Notizen gemacht mit der Absicht das Buch zu lesen. Jetzt endlich hab’ ich das tatsächlich auch geschafft. g
“Understanding Comics. The Invible Art” oder zu deutsch “Comics richtig lesen. Die unsichtbare Kunst” ist ein Comic über Comics von Scott McCloud. McCloud ist Comic-Zeichner und versucht in diesem Buch dem Comic als -scheinbar- noch recht jungem neuen Medium auf die Spur zu kommen. Das ist schon deswegen spannend, weil neben den großen visuellen Technikmedien wie Film, dem Web oder Internet die breite Palette der “Sequentiellen Kunst”, wie McCloud es neutraler benennt, gerne übersehen wird. Beginnend mit der historischen Entwicklung arbeitet sich das Buch, welches schon 1993 erschienen ist, durch alle wichtigen Fragen die Comics aufwerfen: Was bewirken Panels, wie stellt man Zeitverläufe und Bewegung dar oder wie wirken sich verschiedene Darstellungen auf die Interpretation des Lesers aus? Der Autor selbst führt dabei (als Comicfigur) durch seine Gedanken und bedient sich allerhand Beispiele verschiedener Künstler. Dabei soll das Buch keine Sammlung von unumstößlichen Wahrheiten darstellen, es versucht vielmehr eine überfällige Diskussion um ein recht unterschätztes Medium anzustoßen und war darin auch durchaus erfolgreich. Es folgten noch zwei weitere Bücher: Reinventing Comics (2000) und Making Comics (2006). Die muss ich dann wohl auch noch lesen (Notiz an mich…)
Besonders interessant ist das Buch insbesondere auch für Nicht-Comic-Geeks wegen seiner interessanten Ausführungen was das Konzept von Zeichen und Ikonografie beziehungsweise ihre Funktionen zum Transport von Bedeutung betrifft. Denn in Comics kann nur über die visuelle Darstellung und über Sprache – auch nur eine Sammlung abstrakter visueller Repräsentationen für Laute – kommuniziert werden. McCloud zieht dabei eine Ebene (“The picture plane”) zwischen
- dem Ab-Bild, das eine Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit herstellt
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der Bedeutung, welche durch ein Symbol repräsentiert wird, das keine Ähnlichkeit mit dem eigentlichen Gegenstand hat (z.B. das Bild eines Gesichts und das Wort ‘Gesicht’) und
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Der abstrakten Darstellung, die weder Ähnlichkeit noch Bedeutung haben muss.
Hier geht es also um essentielle Fragen der visuellen Kommunikation. So visualisiert McCloud beispielsweise die These, dass Bild und Text in einer Balance stehen und sich in verschiedenen Weisen aufeinander beziehen können um daraus spezifische Wirkungen abzuleiten. Wenn man bedenkt, dass wir uns in einer dominant visuellen Kultur bewegen und dazu die Gedanken des Buches aufnimmt, fragt man sich, warum unsere gesellschaftliche Idee von (Aus-)Bildung – ja liebe Insider, nicht im Sinne der StruMebi – so textlastig ausfällt.
Wie gesagt, man kann bestimmte Schlußfolgerungen kritisch betrachten, viele der Grundannahmen sind aber verstehenswert und können auch für andere Themenbereiche – beispielsweise die visuell-unterstützte Präsentation – wertvolle Anregungen geben. In diesem Zusammenhang werde ich dann bestimmt einige Ausführungen nochmals zu Tage fördern.
Scott McCloud hat auch einen faszinierenden Vortrag bei TED gehalten, der im folgenden zur Ansicht bereit steht, für alle, die das Thema gerne vertiefen möchten. (Und wehe ihr möchtet nicht!) Achja, und dann gibt’s natürlich überall im Text noch die Links zu den Büchern bei Amazon, bei denen ich immer eine Kleinigkeit mitverdiene, wenn ihr was bestellt. g Danke.