Meine Einschätzung zum Fernsehen hab’ ich ja durchaus in einigen Artikeln schon thematisiert. Heute soll es um ein spezielles Segment der Fernsehunterhaltung gehen, die sogenannten “Late-Night-Shows”. Wie immer hat da das US-amerikanische Fernsehen dem deutschen etwas voraus, dort gibt es Late-Night Talkshows schon seit über 50 Jahren, populär geworden ist das Format insbesondere durch die Tonight Show Starring Johnny Carson. In Deutschland beginnt Late-Night wohl erst mit Aufkommen des Privatfernsehens und wurde primär durch Thomas Gottschalk und Harald Schmidt begründet, die sich stark am amerikanischen Vorbild orientierten. Wichtige Bestandteile sind meist ein Komiker als Gastgeber, eine Live-Showband, ein Sidekick, prominente Gäste (die üblicherweise Sendungen, CDs oder Filme anzupreisen haben), Auftritte von Musikern und lustige Einspieler, meist in Form von regelmäßigen Segmenten.
Hier einige amerikanische Shows, die ich gerne konsumiere/konsumiert habe.
Late Night / Tonight Show with Conan O’Brien (seit 1993)
Meine allererste Begegnung mit Late-Night war 1998 oder 99 weil wir da Satellitenfernsehen bekamen und ich plötzlich NBC Europe gucken konnte. Dort liefen ab abends um 10 nacheinander die Tonight Show mit Jay Leno und die Late Night Show mit Conan O’Brien. Beide gab’s über Videotext auf Wunsche deutsch untertitelt, was praktisch war, weil Schulenglisch durchaus nicht ausreicht, um einen Amerikaner in nativer Sprachgeschwindigkeit zu verstehen. Leno fand ich schon damals nicht so prall (lief auch parallel zu einer anderen guten Sendung, darum hab’ ich’s immer verpasst), aber mit Conan O’Brien lernte ich amerikanisches Englisch und das über viele Jahre. Richtig lustig fand ich den natürlich erst Jahre später, dann aber insbesondere, weil er mit dem Lustigmachen immer bei sich selbst anfängt (insbesondere wegen seiner Frisur und Kellerbräune) und erst dann andere auf’s Korn nimmt.
Gastgeber: O’Brien begann als Autor bei Saturday Night Live und bei den Simpsons (z.B. die Folge “Marge vs. the Monorail“) bevor ihm die Nachfolge von David Letterman für die Late Night Show angeboten wurde. Während die ersten Jahre für den unerprobten O’Brien sehr holprig waren wurde die Show bis Ende der Neunziger Jahre zu einer der erfolgreichsten Late Night Shows mit besten Quoten zu seiner Sendezeit. Darum wurde, auch zu meiner persönlichen Freude, O’Brien 2009 als Nachfolger von Jay Leno die Tonight Show (die älteste amerikanische TV Sendung) übergeben, die er aber nach nur 7 Monaten wieder aufgeben musste (2010 Tonight Show Konflikt (WP:EN)). Insbesondere während der letzten Wochen vor dem Ende der Show im Februar 2010 waren die Sendungen gespickt von Gags und Seitenhieben über die Late-Night-Auseinandersetzung, die in den Medien breite Resonanz erzeugte. Aufgrund vertraglicher Verbote konnte O’Brien nach dem Ende bei NBC nicht sofort eine neue Show beginnen, weshalb er sich zunächst auf Twitter zurückmeldete und dann eine Tournee durch über 30 Städte der USA und Kanada machte. Noch Ende dieses Jahres startet O’Brien eine neue Show auf dem Kabelsender TBS.
Band: Max Weinberg (Drummer der E-Street Band von Bruce Springsteen) und die Max Weinberg Seven/Tonight Show Band
Sidekick: Bandleader Max Weinberg, Andy Richter (mit Unterbrechung)
Populäre Segmente: In the Year 2000/3000, “String-Dance“, Masturbating Bear, Triump the insult comic dog (Handpuppe), Horny Manatee
Late Night/Show with David Letterman (seit 1982/1993)
Neben Jay Leno ist David Letterman der große Talkmaster im amerikanischen Fernsehen und auch darüber hinaus vielen Leuten ein Begriff.
Gastgeber: Lange Jahre moderierte Letterman die Late Night Show nach der Tonight Show mit Johnny Carson, die er während seiner frühen Jahre häufig gastmoderiert hatte. Umso mehr enttäuschte es ihn, als nach dessen Abschied nicht er sondern Jay Leno die Tonight Show übernahm. Daraufhin verließ Letterman 1993, auch auf Rat von Carson hin, NBCÂ und ging zu CBS wo er noch heute die inhaltlich kaum veränderte “Late Show” moderiert. Außerdem produziert er mit seiner Firma “Worldwide Pants” neben seiner und der “Late Late Show” TV-Sendungen wie “Alle lieben Raymond”.
Band: Paul Shafer and the CBS Orchestra (zu NBC Zeiten “Worlds most dangerous band”), Letterman nennt sie auch gerne “the mighty, mighty American party and show band”
Sidekick: Bandleader Paul Shaffer, sowie Produzentin und andere Mitarbeiter im Off
Populäre Segmente: Top Ten List, Soup of the Day/Hello Deli Bits
Late Late Show with Craig Ferguson (seit 2005)
Erst vor kurzem entdeckte ich Dank des Internet die Show, die immer nach Letterman läuft. Mal abgesehen von dem lustigen schottischen Akzent, wird hier das Konzept von Late-Night ordentlich umgekrempelt. Craig Ferguson macht keinen geskripteten Monolog (der meist von Karten abgelesen wird) zu Beginn sondern hält stattdessen einen eher improvisierten und persönlichen, manchmal auch ernsten Monolog. Immer wieder bezieht er dabei sein Publikum ein. Er hat keinen menschlichen Sidekick, stattdessen steht ihm das Roboterskelett Geoff Peterson zur Seite, welches vordefinierte Bemerkungen zum Besten gibt. Er beendet jede Show mit dem Sgement “What did we learn on the Show tonight Craig?”, in dem er kurz die Show und den Tag Revue passieren läßt. Hin und wieder verändert er das Format komplett, so machte er beispielsweise eine Show ganz ohne Publikum, bei der er sich mit dem britischen Komiker Stephen Fry unterhielt als Hommage an die klassische Talkshow. Ein Markenzeichen der Sendung ist auch, dass ausgiebig geflucht wird, da die Flüche und Schimpfwörter in Amerika aber nicht ausgestrahlt werden dürfen, werden die Münder der Personen dann mit Landesflaggen überdeckt (anstelle des üblichen Verpixelns) und es ertönt ein passender Spruch wie “Oh lala”, “Uh Oh” oder “Aye caramba”.
Gastgeber: Craig Ferguson ist ein gebürtiger Schotte, der 1994 in die USA auswanderte und 2008 die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangte. Schon in seiner Heimat konnte er sich als Musiker und Stand-Up Comedian einen Namen machen. Doch zu Beginn der Neunziger wirkte sich sein Alkoholismus immer stärker auf seine Karriere aus, 1992 machte er eine Entziehungskur und ging danach nach Amerika. Hier spielte er in diversen Filem und Serien mit (u.a die Drew Carey Show) und wurde 2005 der Nachfolger von Craig Killborn für die Late Late Show. Sein Stil unterscheidet sich stark von der klassischen Late-Night-Show. In vielen seiner Shows hat er auch ernste Themen verarbeitet, so erzählte er nach dem Tod seines Vaters eine Show lang sichtlich emotional Anekdoten aus dessen Leben. Die Show wurde für den Emmy nominiert und auch nach dem Tod seiner Mutter gab es eine Gedenksendung. Immer wieder thematisiert Ferguson – durchaus auch in ernste Tönen – seinen eigenen Alkoholismus. Regelmäßig verwendet er auch Handpuppen innerhalb seiner Sendung wie Brian, der Hai oder Sid, das fluchende weiße Kaninchen.
Band: Hat keine Live-Band
Sidekick: Geoff Peterson, Roboterskelett
Populäre Segmente: Check the Tweets (and E-Mails), Handpuppen
Das deutsche Fernsehen hat erst in den 1990ern überhaupt Late-Night-Programme etabliert. Vorher gab’s lediglich das Testbild. Vorreiter war hier, wie so oft, Thomas Gottschalk mit Gottschalks Late-Night, die von 1992 bis 1995 lief (und die ich niemals gesehen habe). Allerdings stieß das Format, welches wohl überaus erfolgreich auf RTL lief, die Tür auch für die folgenden Sendungen auf, die man wohl getrost als Klassiker der deutsche Fernsehlandschaft bezeichnen kann.
Harald Schmidt Show / Harald Schmidt / Schmidt & Pocher
Derzeit versandet Schmidt mit seiner Show merklich in der ARD, wenngleich es auch hin und wieder noch die Harald-Schmidt-Momente gibt, die man aus den goldenen Zeiten der Show bei Sat 1 kennt. Weil die Sendung nur noch einmal wöchentlich – und auch das eher unregelmäßig – läuft, schalte ich zumindest nicht mehr oft ein. Nichtsdestotrotz ist die Harald Schmidt Show ein wichtiger Teil der deutschen Fernsehgeschichte. Und immer noch besser als was andere Sender um die Zeit zu bieten haben.
Gastgeber: Harald Schmidt ist ein echtes Urgestein im deutschen Fernsehen. Zu Beginn seiner Karriere spielte er vorrangig auf Theaterbühnen. Ende der Achtziger moderierte er Maz ab! für den SFB, es folgten Shows wie Pssst! und Schmidteinander (1990) mit Herbert Feuerstein. Schon mit letzterer orientierte man sich teilweise an der Late-Night-Show mit David Letterman. von 1995 bis 2003 moderierte Schmidt die nach ihm benannte Late-Night Show auf Sat.1, lange Zeit ohne wirkliche Konkurrenz. Sein bissiger – bisweilen auch zynischer – Humor wurde sein Markenzeichen und in den Printmedien wurde er gerne als “Dirty Harry” betitelt. 2003 kündigte Schmidt das Ende seiner Show auf Sat 1 und eine “Kreativpause” an. Seit Ende 2004 ist Schmidt wieder in der ARD zu sehen, zunächst zwei Mal wöchentlich allein und von 2007 bis 2009 wöchentlich zusammen mit Oliver Pocher in “Schmidt & Pocher“. Aktuell moderiert er wieder das überarbeitete “Harald Schmidt” Format einmal die Woche.
Band: Helmut Zerlett (außer 2004-2007) und Band
Sidekick: Manuel Andrack, Bandleader Helmut Zerlett jr., Suzana NovinÅ¡Äak und Madame Nathalie Licard – nach Wechsel zur ARD 2008-2009 mit Oliver Pocher
Populäre Segmente: Weisheiten des Konfuzius, nachgespielte Szenen (z.B. mit Playmobil), Phantastische Paralipomena
TV-Total
Die regelmäßige Sendung von Stefan Raab hatte zu Beginn nicht allzu viel mit der klassischen Late-Night gemein, zumal sie auch nur wöchentlich ausgestrahlt wurde. Nachdem Vorbild seiner vorherigen Sendungen auf VIVA, war es zunächst Raabs Mission sich über das Fernsehen und seine Protagonisten lustig zu machen und den besten Nonsense mit dem “Raab der Woche” auszuzeichnen. Man erinnere sich hier an die Jagd nach “Dieter Bürgi” oder ähnlichen anarchischen Aktionen. Doch mit der Änderung auf das tägliche Format von Montag bis Donnerstag hat sich TV Total dem klassischen Late-Night-Format immer mehr angenähert. Raab hat die Showtreppe, eine Live-Band, einen einführenden Monolog und regelmäßig nationale und -vielleicht verwunderlicher – internationale Stars zu Gast, die üblicherweise auch live auftreten. Raab hat das Nippelbrett (das TV-Schnipsel auf Knopfdruck auslöst) etabliert, welches eine Zeit lang auch bei Craig Ferguson zu sehen war. Und er hat den fahrbaren Schreibtisch. Obwohl er eher ein mittelmäßiger Interviewer ist, hat es Raab mit Gespür für Musik und Brachialkomik geschafft, einen deutschen Fernsehklassiker zu etablieren, den ich immer gerne einschalte.
Gastgeber: Seine Karriere begann Stefan Raab (gelernter Metzger und Interims-Jura-Student) 1993 beim Musiksender VIVA nachdem er einige Zeit Musikjingles komponiert hatte. Seine Sendungen Vivasion und Ma kuck’n enthielten anarchisch-komische Elemente, Raabs Aktionen hatten oft den Charakter von jugendlichen Mutproben. Mit Aufnahmeleiter Markus Wolter entwickelte er die Sendung TV Total, die seit 1999 auf Pro Sieben zunächst wöchentlich, dann zweimal und seit 2001 viermal die Woche zu sehen ist. Besonders auffällig war Raab schon immer wegen seiner Musikalität. Obwohl er keine klassische Ausbildung hat oder Noten lesen kann, spielt er diverse Instrumente und komponiert. Mehrfach hat er Ausschnitte in seiner Sendung zu erfolgreichen Musikstücken verarbeitet (z.B. Maschendrahtzaun oder Wir kiffen). Aus TV Total sind diverse Spin-Off Shows entstanden, viele als Wettbewerbe von Prominenten in aberwitzigen Disziplinen (Wok-WM oder Turmspringen) aber auch sein Engagement um den Eurovision-Song-Contest, die nationale Musikshow Bundesvision-Song-Contest oder die Show “Schlag den Raab“, in der Kandidaten gegen ihn um Millionenbeträge antreten, haben ihn weithin bekannt gemacht. So hat sich Raab über die letzten zehn Jahre zu einem der größten deutschen Entertainer gemausert. Sein Privatleben schirmt er allerdings konsequent gegen die Medien ab.
Band: Die Heavytones
Sidekick: Elton und die Band
Populäre Segmente: Raab der Woche, Elton ferngesteuert, Raab in Gefahr, TV Total TV-Tipps zum Wochenende, Blamieren oder Kassieren, TV-Box
Erwähnenswert, weil auch saukomisch, wäre auch noch der Nachfolger von Conan O’Briens Late-Night Jimmy Fallon. Insbesondere die amerikanischen Late-Night-Shows gibt’s im Internet meist in Schnipseln auf den jeweiligen Websites oder komplett über (böse, böse) diverse Torrentwebsites. Der geneigte Leser möge sich also selbst ein Bild machen. Übrigens ließe ich mich gerne über Late-Night in anderen Ländern belehren, gibt’s z.B. etwas vergleichbares in Großbritannien oder Frankreich? Ich freue mich auf Kommentare. SWoL cares!