Der letzte Meinungsmontag hatte ein konkretes Thema, dieser wird mehrere haben, denn in den letzten Wochen ist ja durchaus einiges Kommentierenswertes geschehen: Google bastelt sich mit G+ seine eigene Netzwerkplattform, die Welt versinkt in ihren eigenen Schulden und in London zeigte sich, wie wertlos 24/7 Überwachung sein kann. Die Reihenfolge läßt keinen Rückschluß auf die Relevanz zu. Na denn mal los…
Noch mehr Google
Google+ ist in aller Munde, was es im Grunde als Thema für diesen Blog ausschließt, denn wo schon Aufmerksamkeit ist, braucht man ja eigentlich keine erzeugen. Andererseits schadet es auch nix, wenn ich mein Löffelchen Senf noch auf den großen Haufen dazu schnippe. Google+ ist, wenn man den gängigen Medien Glauben schenken soll, entweder Googles langersehnte Antwort auf Facebook, der nächste digitale Heilsbringer oder ein nettes Experiment mit ‘ner Menge Fans. Tatsächlich ist das Konzept der Zirkel oder Kreise (und ich sehe keinen Grund, warum man hier nicht einen deutschen Begriff verwenden sollte) erschreckend simpel und stark zugleich (Update: wenn man bei jedem Post bereit ist neu zu entscheiden, wer der Adressat sein soll). Auch in Facebook habe ich das vergleichbaren Feature zur Ordnung meiner Kontakte immer fleißig genutzt, leider hat das dort keine implizite Gruppierung zur Folge. Aber das wird sicher kommen. Es freut mich auch, dass Google mir gnädigerweise erlaubt, meine Daten einzupacken und auszuziehen, wenn ich keine Lust mehr haben sollte in G+ zu wohnen. Wie gut das praktisch funktioniert, weiß ich nicht, aber es müsste meiner Meinung nach zum Standard für jegliche Plattform dieser Art erhoben werden. Punkt.
Gleichzeitig löst auch G+ einen zentralen (!) Widerspruch weiterhin nicht auf: Es will mir noch immer nicht in die Rübe, warum auf einer Infrastruktur, die spezifisch für Dezentralisierung entworfen wurde (das Internet), alle großen sogenannten digitalen Sozialen Netzwerke zentralistisch entworfen werden. Schlimm genug, dass sich das Client-Server-Prinzip so grundsätzlich verfestigt hat (und eben nicht alle Konsumenten auch Anbieter sind), warum sollte man an sich dezentrale Strukturen wie Vernetzungen zwischen Menschen in einem dezentralen Netzwerk aus Rechnern zentral an einem Ort (oder vielen gleichartigen) ablegen wollen? Alle derzeit populären Dienste wie Twitter, FB und eben auch G+ tun das.
Nur kleine Projekte wie status.net, Friendika oder Diaspora versuchen überhaupt die eigentlich vorhandenen Netzwerkstrukturen in einer “organischen” Art und Weise zu nutzen und zu erweitern. Hier kann sich jeder selbst die Software auf den Server installieren und ist dann Teil des Ganzen. Zugegeben, dass kann und will nicht jeder individuell, aber genauso wie eigentlich jeder Internet-Service-Provider einen E-Mail-Server betreibt, könnte er so auch seinen Nutzern einen Sozialen Netzwerk-Zugang oder Microblogging-Dienst anbieten. Und damit all die Vorteile nutzen, die sich daraus ergeben (verteilter Traffic, verteilte Kosten, Ausfallsicherheit, geringerer Verwaltungsaufwand, kein Druck für kommerziellen Erfolg, weil der Kunde ja schon zahlt). Stattdessen geben wir alle meist allzu gutgläubig unsere Daten aus der Hand an Anbieter, die systematisch dazu gezwungen sind unsere Daten nach Strich und Faden zu monetarisieren, wenn sie lukrativ arbeiten wollen. Solange der Online-Datenschutz nicht global reglementiert ist, wird kein kommerzieller Anbieter davon abrücken wollen, zu verkaufen, was an Metadatensätzen generier- und verfügbar ist. Selbst wenn Google mit seinen Nutzungsbedingungen oder deren Auslegung großzügiger wäre als beispielsweise FB und selbst wenn sie weniger ignorant gegenüber Datenschutz und Privatsphäre sind und daneben auch noch die diversen Sicherheitslücken vermeiden könnten, durch die FB in der Vergangenheit immer wieder negativ aufgefallen ist, kann man auch dort nicht langfristig einen Dienst dieser Größe allein betreiben ohne die Daten irgendwie zu Geld zu machen. Dass muss nicht schlimm sein, aber es kann.
So bleibt uns erstmal nur die Hoffnung, dass ein bisschen Konkurrenz zwischen Google und Facebook auch für den Endkunden positive Aspekte hervorbringt.
Schulden? Ich auch.
Mittlerweile scheint ja alles im freien Fall: Börsenkurse, Kreditwürdigkeit, Wirtschaftskraft. Alle haben Schulden, keiner kann sie bezahlen. Ich auch. Würden heute alle Institute, die noch Geld von mir kriegen es auch haben wollen, wäre ich auf absehbare Zeit mittellos. Trotzdem bin ich kreditwürdig und das nicht zu knapp. Klingt unlogisch und ist es auch. Denn Ökonomie scheint mit Logik ja nur am Rande zu tun zu haben. Nicht umsonst spricht man in den Börsennachrichten immer von so irrationalen Begriffen wie Angst, Furcht, Herdenverhalten, Massenpanik, Nervosität, Vertrauen. Nix von wegen harte Fakten, Rechnungen, Formeln, System, Verlässlichkeit, Erkenntnis oder eben Logik. Börse, dass ist scheinbar nichts anderes als ein Verband weltweit organisierter Glücksspieler von dem zufällig die Weltwirtschaft abhängt. Gott würfelt nicht darum hat der Mensch für ein bissl Spannung in der Welt zu sorgen, oder wie? Mir als ignorantem Normalo fehlt ja jeglicher Bezug zu dieser eigenartigen Spielwelt. Weshalb ich meine paar Kröten (die ich de facto ja nicht mal habe) auch tunlichst aus sowas rauslasse und in Dinge ‘investiere’, die ich in die Hand nehmen und Bankern an den Kopf werfen kann. Und wenn die Medien bitte aufhören könnten, diese ganzen Machenschaften, die kein Schwanz und am wenigsten die Journalisten verstehen, als irgendeine “Krise” zu betiteln wäre das auch sehr nett, sonst krieg’ ich nämlich noch eine. Und den Demonstranten in der Welt, die sich derzeit von ihren Volksvertretern ob der nötigen Sparmaßnahmen betrogen fühlen, sei gesagt: Wenn ihr euch nach den Wahlen nicht darum kümmert, was die mit euren Kohlen machen, selber schuld! Wer sich bescheißen lässt, hat’s meist auch nicht anderes verdient. Die deutschen Bedenkenträgern über die Einführung europaweiter Anleihen kann ich auch nicht verstehen, immerhin wollte man doch das Europa zusammen wächst. Was also liegt da näher, als erstmal gemeinsame Schulden zu machen? Das schweißt doch zusammen!
Nur zu ihrer Sicherheit
London brüstet sich gelegentlich damit, die Stadt mit der höchsten Dichte an Überwachungskameras zu sein. Und wenn man mal da war, fällt einem das schnell auf. Nun haben wir in der letzten Woche gelernt erlebt (gelernt hatten wir’s schon), dass das offenbar wütende, gewaltbereite Menschen nicht davon abgehalten hat, in großer Zahl Autos und Häuser anzuzünden, Geschäfte zu plündern und Menschen vorsätzlich zu verletzen und sogar zu töten. In einem Fernsehbeitrag sah ich, wie ein Vertreter der Polizei regelrecht damit drohte, dass man ja alle Schuldigen auf Kamera hätte und nach Auswertung sofort verhaften käme. Wie praktisch umsetzbar das ist, sei mal dahingestellt. Fakt ist, dass die Idee der Kameraüberwachung ja eigentlich das Ziel des Panoptikums verfolgt, also Selbstkontrolle erzeugen soll, weil man fürchten muss gerade fremdüberwacht zu werden. Offenbar funktioniert das ja nur leidlich gut, denn die Gewalttäter haben sich wohl meist nicht mal die Mühe gemacht unerkannt zu bleiben. Zeigt, dass man dem Problem wohl auf einer anderen Ebene begegnen sollte. Selbst das Argument, es handele sich um eine gewisse soziale Gruppe, scheint ja nicht ganz zutreffend zu sein, denn einige Berichte stellen ja durchaus klar, dass nicht nur sozial Benachteiligte proaktiv tätig geworden sind. Natürlich ist es möglich, dass durch die Kameras mehr Gewalttäter gefasst werden, als man auf herkömmlich Weise erwischt hätte. Die Schäden an Mensch und Material konnten sie aber nicht verhindern.
Die Überlegungen, Gewalttätern den Zugang zu sozialen Internetdiensten zu versagen kommentiere ich mal nicht weiter. Vielleicht sollte man auch das Abhacken von Fingern oder Herausschneiden von Zungen in Erwägung ziehen. Das hat ja in der Historie wohl durchaus schon funktioniert…
Update: Ähnlich sieht das offenbar auch Cory Doctorow in seiner letzten Guardian Kolumne.