Wenn man ins Kino geht, will man sich manchmal einfach überraschen lassen. Wenn man sich dann spontan für einen Film entscheidet (in einer Gruppe muss man ja erstmal einen Kompromiss finden *g*) und er ist gut, dann  ist die Freude umso größer. Im anderen Fall wird’s womöglich immer noch ein netter Blogeintrag. Vor diesem Hintergrund möchte ich heute gern über den Film “Die Tribute von Panem – The Hunger Games” berichten. Ich sollte darauf hinweisen, dass ich den Film – wie gesagt – spontan und völlig unvorbelastet gesehen habe, ich kenne weder das Buch (wusste aber wohl, dass es welche gibt und offenbar stehen die bei Teenies auch hoch im Kurs), noch hatte ich mich vorher über den Film schlau gemacht. Achtung, hier wird wie immer gespoilert. Vor allem, dass es eigentlich nichts zu spoilern gibt.
Die Story ist erschreckend schnell erzählt, wenn man bedenkt das Regisseur Gary Ross dafür 144 Minuten braucht:
In einer wohl zukünftigen Zeitperiode (nach einem vermuteten Krieg, Weltuntergang oder so) mit stark diktatorischen Zügen, die sich als bunte Mischung aus High-Tech und Vorindustrialität darstellt, gibt es ein Land namens Panem (lat. das Brot) bestehend aus 12 Distrikten. Nach einem Aufstand hat die Regierung (oder so) beschlossen, dass jeder Distrikt je einen Jungen und ein Mädchen auswählen muss, die dann in die Hauptstadt gebracht werden um sich dort während eines mehrtägigen Medienspektakels gegenseitig zu töten, bis ein Sieger übrig bleibt. Warum? Damit die armen Leute Schiss haben und die reichen Spass und was zum Wetten. Oder so.
Dieses sehr antik anmutenden Ritual nennt sich die Hungerspiele. Warum auch immer. Im Distrikt 12 (eine Art Bergbau-Gilde) meldet sich Jägerin Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) freiwillig, um ihre Schwester, die eigentlich ausgelost wurde, zu schützen. Zusammen mit Peeta, den sie bis dahin wohl kaum kennt, der ihr aber mal Brot hingeworfen hat, reist sie zu den 74. Spielen, wird dort von Lenny Kravitz hübsch gemacht, um die Massen für sich zu gewinnen. Das bringt dann Sponsoren, die sie für die Spiele ausrüsten. Woody Harrelson spielt ihren Mentor, der erst ein betrunkenes Arschloch und dann doch ganz nett ist. In der Hauptstadt gibt es offenbar Reichtum im Überfluss, während bis dahin eigentlich nur Armut präsentiert wurde. Die Schere ist also weit auseinander, parallel zeichnet sich eine Romanze zwischen den beiden Protagonisten ab. Keine Überraschung.
Katniss mausert sich zur Favoritin, folglich sind während der Spiele, die in einer Waldarena ausgetragen werden, mehr oder weniger alle hinter ihr her, während die Zuschauer sie lieben. Weil der Präsident (Donald Sutherland) fürchtet, dass das Mädchen in der Bevölkerung zu viel Hoffnung auslöst und letztendlich durch ethisches Verhalten (sie tötet nur, wenn sie angegriffen wird) zur Märtyrerin werden könnte, ändert man kurzerhand die Regeln, damit es zwei Sieger aus einem Distrikt geben kann. So können Katniss und Peeta nach langem Leiden und Jagen, viel Blut (keine Angst, er ist ab 12) und toten Teenies letztendlich wieder zurück ihn ihr Distrikt. Und alle leben glücklich bis an ihr seliges Ende.
So weit so vorhersehbar. Ich zweifelte vom Introtext an nicht eine Sekunde lang, dass die Protagonistin zu den Spielen fahren und dort gewinnen würde. Beziehungsweise, ich dachte, das wäre die unkreativste Auflösung und hoffte auf irgendwas Unerwartetes, eine Wendung, die nicht abzusehen war. Aber die gab es schlicht nicht. Somit verkommt die erste Hälfte des Films zur Makulatur. Es gibt auch keine Erklärung, aus welchem Kontext diese Dystopie ihre Berechtigung zieht. Warum lassen sich die Menschen durch Gladiatorenspiele einschüchtern? Wie funktioniert diese Welt überhaupt? Warum Kinder? Womit beschäftigen sich die reichen Leute außerhalb der Spiele? Und, nachdem Anflüge von Auflehnung gezeigt werden, warum scheinen die Ereignisse am Ende vollkommen beliebig und überflüssig? Was will uns der Autor damit sagen? Viele Fragen bleiben bei mir offen. Dazu die verstörenden Bilder von Kindern/Jugendlichen, die auf einander gehetzt werden und sich offenbar fern jeder Ethik bereitwillig gegenseitig abschlachten. Ich würde annehmen, dass das auch noch das einzig originelle am Film ist. Upps, stimmt nicht, dass haben wir mit mehr Einfallsreichtum relativ aktuell erst in Kick-Ass gesehen. Da prügeln sogar Erwachsene auf Kinder ein.
Und so ziemlich alles andere haben wir auch schon gesehen. Der Film klaut so schamlos aus zahlreichen Filmen, dass man meinen könnten zu Guttenberg sei Produzent gewesen. Ein bisschen Zukunfts-Dystopie aus Fahrenheit 451, 1984, THX 1138 (Polizisten in weiß) und nicht zuletzt Running Man (ihr wisst schon, Arnie schießt nicht auf Zivilisten, wird verknackt, bricht aus, wird wieder eingefangen und darf in einer populären Spielshow um sein Leben kämpfen, wobei er schlussendlich erfolgreich das System kollabieren lässt). Dazu ein bissl Medienkritik á la Truman Show (die Spielfläche ist ein virtuell erweiterbarer, komplett verdrahteter Wald mit Kameras in jedem Baum) oder Ed-TV. Der Anfang erinnert sehr an diverse Geschichten des Strickmusters “häßliches Entlein” (kennt man Plötzlich Prinzessin?), der Rest ein wenig an Gladiator. Dazu ein Hauch Fantasy wie in Narnia. Und natürlich eine schmalzige Romanze, die den Biss-Filmen aber keine Konkurrenz macht. Denn festhalten kann man: Der Film ist routiniert, aber reicht mit keiner seiner Anleihen an die Vorlagen heran. Die meisten Charaktere erschienen mir so flach, dass sie mich nicht weiter kümmern mochten. Die einzige Ausnahme ist hier die Protagonistin, deren Entwicklung aber eben standardisiert ist. Insbesondere die 21 Randfiguren unter den ‘Kämpfern’ werden so lieblos (oder gar nicht) eingeführt, dass auch ihr späterer Tod kaum emotional mitnimmt. Alles irgendwie so mittel. Visuell und akustisch gibt es ebenfalls keine Ausreißer, keine Überraschungen. Plus Minus Null. Donald Sutherland als Präsident (oder so) kann auch nix reißen, erscheint nicht wie ein starker Führer sondern eher wie ein deplatzierter Gärtner. Letztendlich ist auch die Charakterentwicklung von Katniss völlig bedeutungslos. Legt man die Heldenreise von Campbell zugrunde, dann sollte der Held/die Heldin letztendlich beide Welten retten. Hier rettet keiner irgendwas, jede Action und jeder Dialog ist beliebig und ersetzbar, die Auswirkungen der Handlung hebt man sich wohl für die Fortsetzungen auf (es gibt drei Bände, soweit ich weiß). Als Happy End ist es allerdings zu vorhersehbar, für mich als Zuschauer zu wenig Satisfaktion, wo man doch mehr als zwei Stunden bei wenig Panem und viel Circenses ausgeharrt hat.
Da das Kino meinte, den Film mit einer 15-minütigen Pause unterbrechen zu müssen, hab’ ich unterdessen auf RottenRomatoes und Metacritic nach den Wertungen für die Hungerspiele geschaut. Die Tomatenkritiker geben dem Film eine Gesamtwertung von 85%, der Metascore liegt bei imho realistischeren 67 von 100. Die Zuschauer finden’s offenbar trotzdem toll. Ich kann nicht so recht verstehen, warum. Zu wenig Science und Fiction für Science-Fiction und wenn man das Buch nicht kennt, versteht man offenbar den Kontext überhaupt nicht. Mehr als ein müdes Achselzucken kann ich als Endzwanziger da nicht bieten, vielleicht wirkt’s auf Jugendliche aus irgendeinem Grund anders. Offenbar gehöre ich nicht mehr zur Zielgruppe.
Dass derselbe Film auch etwas anders wahrnehmbar ist, kann man beim befreundeten Blogger im Moosbett nachlesen, der findet auch noch ganz andere ‘Vorlagen’. Und weitere Kritikpunkte. Ich für meinen Teil kann dem Machwerk aber wenig abgewinnen und würde dem geneigten Leser einen der genannten anderen Filme empfehlen. Oder vielleicht ‘ne schöne Folge GZSZ. Oder so.