Hugo Cabret – Ein fast schon weihnachtliches Review. (Trailerupdate)

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Hugo und Isabelle
Hugo (film)

Hugo (film) (Photo credit: Wikipedia)

Update 21.12.: Da der Weltuntergang abgesagt wurde, lohnt es sich ja doch, den Trailer noch unten anzuhängen.

In den letzten Wochen habe ich immer wieder angefangen kritische Artikel zu schreiben, aber so kurz vor Weihnachten versaut einem das doch eigentlich nur die Stimmung. Jetzt habe ich aber ein erfreuliches Thema finden können, einen Film, der nicht nur gut zum besinnlichen Jahresende passt sondern auch noch in meinen aktuellen beruflichen Kontext. Hugo Cabret ist das aktuelle Meisterwerk von Martin Scorsese und das allein war schon Grund genug, ihn anzuschauen. Wie der geneigte Leser bereits weiß, werden Spoiler nicht vermieden, darum hier die Warnung, ab dem nächsten Absatz geht es zur Sache.

Wem Scorsese allein nicht als Motivation genügt, dem sei gesagt das sein Film Hugo Cabret (Originaltitel: Hugo) bei den Academy Awards dieses Jahres 5 goldene Statuen abgeräumt hat. Eine Rottentomatoes-Wertung von 94% und ein Metascore von 83 illustrieren die überwiegend positive Kritik des Filmes. Noch nicht überzeugt? Naja, ich liste dies natürlich nur auf, um zu verschleiern, dass meine Meinung nichts anderes ist oder sein kann als grundsubjektiv. Also gut, worum geht es:

Gare de Montparnasse

Gare de Montparnasse

Hugo Cabret (Asa Butterfield) ist ein Junge, der im Gare de Montparnasse in Paris wohnt und arbeitet, etwa in den 1930er Jahren kümmert er sich dort um die diversen mechanischen Uhren. Nebenbei stiehlt er sich Nahrung und andere Dinge zusammen, dabei muss er sich vor dem Stationsaufseher (Sascha Baron Cohen) in Acht nehmen, der unbarmherzig Waisenkinder ins Waisenhaus liefert. Eines Tages wird Hugo vom Besitzer des Spielzeugladens (Ben Kingsley) beim Stehlen erwischt und er nimmt ihm sein Notizbuch ab. Erst im weiteren Verlauf des Filmes erfahren wir nun die Hintergrundgeschichte:
Hugos Vater (Jude Law) war Uhrmacher und zusammen mit seinem Sohn reparierte er leidenschaftlich gern Dinge. Eines Tages brachte er einen Automat aus einem Museum mit nach Hause, genauer gesagt eine mechanische Figur, die wohl schreiben kann aber leider kaputt ist. Zusammen begannen Sie den Automat Stück für Stück wiederherzustellen. Doch eines Abend, als sein Vater sich im Museum aufhielt, wurde er Opfer eines Brandes, Hugo musste zu seinem Onkel Claude in den Bahnhof ziehen und der zeigte ihm dort, wie man die Uhren wartet. Der ewige Säufer Claude verschwindet eines Tages, Hugo übernimmt heimlich dessen Job. Den Automat rettete er und hofft nun, dass er eine Nachricht von seinem Vater enthält. Darum stiehlt er allerhand Ersatzteile, was uns wieder zum Spielzeugladen bringt. Der Händler droht, das Notizbuch zu verbrennen, Hugo folgt ihm und lernt sein Patenkind Isabelle (Chloë Grace Moretz) kennen, die er bittet dafür zu sorgen, dass das Buch nicht verbrannt wird. Am nächsten Tag bietet ihm Papa Georges, wie er genannt wird, an, seine Diebstähle abzuarbeiten und ihm dann sein Notizbuch zurückzugeben. Hugo willigt ein und freundet sich mit Isabelle an. Sie stellt Hugo dem Buchhändler Labisse (Christopher Lee) vor, er nimmt sie im Gegenzug mit ins Kino, weil sie noch nie einen Film sehen durfte. Hugo repariert den Automat, allerdings fehlt ihm noch ein herzförmiger Schlüssel, damit der richtig funktioniert. Genau so einen trägt Isabelle am Hals. Der Automat schreibt aber nicht wie erwartet, sondern er zeichnet ein Bild, welches er mit dem Namen Georges Méliès signiert.

Hugo und Isabelle

Hugo und Isabelle

Hugo und Isabell finden nun heraus, dass Papa Georges einer der ersten Filmemacher Anfang des 20. Jahrhunderts war, der über 500 fantastische Filme machte, heute aber ein enttäuschter, gebrochener Man ist, der in Armut lebt und seine Vergangenheit gern vergessen möchte. Noch dazu hat er für seine Filme nie groß Anerkennung erfahren, was daran liegen könnten, dass alle seine Filme scheinbar verloren sind. Zusammen mit dem Filmwissenschaftler René Tabard (Michael Stuhlbarg) beschließen Isabell und Hugo, Georges mit einem seiner eigenen Filme und dem Automaten, den er ebenfalls verschollen glaubte, zu überraschen. Doch der Stationsvorsteher steht dem Plan im Wege…

La Voyage Dans la Lune (1902)

La Voyage Dans la Lune (1902) (Photo credit: simonm1965)

Wer seine Filme gern unkompliziert mag, wird hier wahrscheinlich nicht glücklich, obwohl ohne die ganzen tollen Exkurse, die Scorsese aus dem Buch von Brian Selznick übernommen hat, sich doch ein relativ klassisches Strickmuster präsentiert. Aber wie. Für mich hat der Film mehrere magische Elemente, zum Ersten die Darsteller. Scorsese holt hier die erste Garde an Schauspielern mit Größen wie Kingsley und auch Cohen, dem die Rolle des kriegsversehrten Polizisten auf den Leib geschneidert ist. Die Kinder sind mit Butterfield (bekannt aus Der Junge mit dem gestreiften Pyjama) und Moretz (bekannt aus Kick Ass) ebenfalls hochkarätig besetzt. Dazu kommen noch die sog. Nebendarsteller wie Lee, Law, Richard Griffiths, Emily Mortimer oder Ray Winstone mit jeweils einzigartigen Rollen, die selbst bei bei minimalem Auftreten im Film einen Eindruck hinterlassen. Toll! Dazu kommt mit Georges Meliés die magische Verwandlung einer Randfigur in einen Protagonisten. Tatsächlich ist die Geschichte, die der Film und das Buch um diesen Urvater der Filmkunst aufspannen, schon fast zu unglaublich, um wahr zu sein. Und ist es dann irgendwie doch, wie man auch im Bonusmaterial erfährt. Das hat mich besonders begeistert, weil ich erst unlängst für mein derzeitigen Seminar zum Thema Science-Fiction Die Reise zum Mond von Meliés entdeckte und ein wenig recherchiert hatte. Insofern trifft der Film bei mir einen filmhistorischen Nerv, den womöglich nicht jeder frei liegen hat. Mit einigen Exkursen in den Produktionsalltag der Filme von Meliés bedient Scorsese aber vor allem auch alle diejenigen, die das Staunen noch nicht verlernt haben. Gleiches gilt für die Automaten und die zahlreichen Uhrwerke, die der Film in Szene setzt. Diese Bilder aus einer Zeit, in der die Technologie eigentlich weniger komplex war und doch faszinierender und magischer wirkte als ein iPhone heute, sind es, die diesen Film ausmachen.

Dazu wird das Ganze auch noch in 3D gezeigt, ich habe es aber konventionell im Heimkino gesehen. Man kann die Elemente, die in 3D sehr beeindruckend wirken müssen trotzdem gut ausmachen, ob das praktisch gut gelungen ist, kann ich aber nicht sagen. Alles andere aber ist großartig gelungen, von der detaillierten Umsetzung des Bahnhof Montparnasse (insbesondere hinter den Wänden) bis hin zu den großen Panoramen von Paris wird eine äußert stimmige Welt geschaffen. Ein wenig schade ist, dass, wie bei viel zu vielen aktuellen Filmen, auch hier das unsägliche orange-blaue Farbschema Anwendung findet. Dieser Trend, der von Machwerken wie Transformers eingeleitet wurde, gehört schnellstens wieder beendet und dieser Meinung bin zum Glück nicht nur ich.
Wie in vielen guten Filmen besteht die Magie zum Teil auch darin, dass tatsächliche historische Begebenheiten kunstvoll mit Fiktion verwoben werden und darum bildet für mich Hugo Cabret den Kern der Filmkunst ab. Für alle, die das nicht so sehen, sollte aber zumindest ein sehr guter Film  dabei herausgekommen sein, der die Grenzen seines Genres (der Film wurde vom Marketing dem Kinderfilm zugeordnet) mit Leichtigkeit sprengt, wenn man ihn lässt. Für alle, denen Meliés nichts sagt, hier eine restaurierte, kolorierte Version seines Klassikers Le Voyage Dans la Lune von 1902, aus dem auch das obige weithin bekannte Bild stammt.

https://www.youtube.com/watch?v=EvhTo2-0BQg

Georges Melies

Georges Melies (Photo credit: rightee)

Es gibt zahlreiche andere Fassungen auf YouTube und natürlich auch weitere Filme von den 200, die mittlerweile wieder aufgetaucht sind. Als Fazit stelle ich fest, dass leider nur 300.000 Leute in Deutschland den Film gesehen haben sollen, das ist schade, unterstreicht aber die Tatsache, dass der Film eben nichts für jeden ist. Wer aber der Filmgeschichte, großartigen Charakterdarstellern, modernen Märchen oder der Magie des frühen 20. Jahrhunderts noch etwas abgewinnen kann, dem sei der Film wärmstens ans Herz gelegt. Insbesondere so kurz vor Weihnachten, wo die TV-Anstalten wieder all die altbekannten Klassiker ins Rennen schicken, kann man hier einen zukünftigen Klassiker sehen, wie er im Buche steht.

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