Nachdem ich Ender’s Game (den Roman) von Orson Scott Card erst im letzten Jahr entdeckt habe, war ich natürlich sehr gespannt, als ich erfuhr, dass ein Spielfilm geplant ist. (Mehr Infos auf Wikipedia) Die Zeichen standen nicht schlecht: Tolle Darsteller, erfahrene Produzenten und die ersten Bilder waren auch recht beeindruckend. Vor einigen Tagen war ich dann nun im Kino und habe mir das Ergebnis angesehen. Der Roman so wie der Film drehen sich um eine große Wende am Ende der Geschichte, darum kann ich Spoiler leider nicht vermeiden. Wer das nicht gut findet sollte auf die Spoiler-Warnungen hinter den Zwischentiteln achten.
Kurzer Rundumschlag
Ender’s Game war der erste Roman einer recht umfangreichen Serie von Science-Fiction Büchern von Orson Scott Card. Ich schrieb bereits darüber. Während man fünf Bände lang dem Leben von Namensgeber Ender Wiggin folgt, drehen sich die nachfolgenden Teile um andere Figuren aus seinem Bekanntenkreis oder spielen einfach im gleichen Universum.
Tatsächlich entstand der erste Roman erst nach der zweiten Geschichte Speaker of the dead („Sprecher für die Toten“), ist daher vielleicht vom Ton her recht anders, als die folgenden Bücher. Ender’s Game ist klassische Militär-Science-Fiction mit einem großen zentralen Konflikt und da liegt es ja nahe, sich in einer Verfilmung auf diesen Aspekt einzuschießen. Aber schauen wir mal…
Die Story – wenig Spoiler
Der Anfang erinnert ein wenig an Starship Troopers: eine insektenartige Alienrasse hat die Erde angegriffen und nur unter großen Verlusten und wegen des wagemutigen Piloten Mazer Rackham konnte die Invasion verhindert werden. Aber man rüstet sich für die Rückkehr der Formics (im Buch „Krabbler“ oder Bugger), die zu Beginn des Filmes unmittelbar bevor zu stehen scheint.
Wir begegnen Ender Wiggin (Asa Butterfield), dem verordneten dritten Kind einer Familie in einem nicht näher benannten Ort der Erde, der im Rahmen einer groß angelegten Suche nach fähigen Offiziersanwärtern (im Kindesalter) mittels eines Monitors im Hinterkopf komplett überwacht wird (Facebook gab’s da wohl noch nicht). Seine beiden Geschwister hat man zuvor schon abgelehnt, aber Ender überzeugt Colonel Graff (Harrison Ford) durch sein strategisches Denken, weil er sich eines angreifenden Mitschülers erwehrt und auch nicht aufhört, als der schon am Boden liegt. Seine Eltern betrachten die Auswahl Enders als große Ehre, könnten ihn aber eh nicht daran hindern, die Ausbildung zu beginnen, denn nur dafür wurde er geboren.
Ein kleiner Schritt… – milde Spoiler
So kommt Ender ohne Kontakt zu Eltern oder Geschwistern zur Kampfschule auf eine Raumstation im Orbit, wo er in Schwerelosigkeit in Teams mit anderen Kindern Kampfspiele absolviert muss. Dabei ist er so erfolgreich, dass er den Neid und die Missgunst anderer auf sich zieht, Freunde findet er nur wenige, was durchaus von Graff beabsichtigt zu sein scheint. Seine Kollegin Anderson ist mit Graffs Art und Weise Ender zu formen sichtlich nicht einverstanden.
Trotz Isolation verbessert sich Enders Kampftechnik (irgendwie) und Graff versetzt ihn in eine andere Truppe, wo er von Boss Bongo alles andere als warm empfangen wird. Nur Petra, als einziges Mädchen beim Salamander-Trupp, hilft Ender dabei, etwas zu lernen und sich für die Kampfspiele vorzubereiten. Bald zeigen sich Enders Qualitäten, er verdient sich den Respekt seiner Kameraden/Konkurrenten und bekommt letztendlich früher als sonst üblich seinen eigenen Trupp, die Drachen, mit denen er schnell (und auf magische Weise) an der Spitze der Teams landet.
Bei einer Auseinandersetzung in der Dusche mit Bonzo (der ihn herausfordert), rutscht dieser unglücklich aus und wird lebensgefährlich am Kopf verletzt (im Buch stirbt er tatsächlich). Das bringt Ender aus der Fassung, weil der die Gewalttätigkeit seines Bruders Peter in sich spürt, vor der er Angst hat.
Nach einem kurzen Intermezzo mit seiner Schwester auf der Erde kommt Ender nicht zurück zur Kampfschule, sondern wird direkt zur Kommandoschule auf einem entlegenen Mond gebracht, den man den Formics im Krieg abgerungen hatte. Hier soll Ender seine finale Ausbildung zum Offizier erhalten und trainiert nicht mehr im direkten Kampf sondern steuert in Kampfsimulationen Truppenverbände zusammen mit einigen seiner Freunde aus der Kampfschule. Niemand geringerer als der Held des ersten Krieges – Mazer Rackham (Sir Ben Kingsley) – ist sein Ausbilder. Er schleift Ender nach allen Regeln der Kunst und setzt ihn immer auswegloseren Simulationen aus (zumindest wird das suggeriert).
Ender erfährt hier auch, dass man nicht wirklich die Rückkehr der Angreifer abwartet sondern eine Angriffsflotte zur Heimatwelt der Formics unterwegs ist und bald eintrifft. Man erhofft sich nichts geringeres von Ender, als dass er die Formics ein für alle Mal vernichtet. Mazer Rackham hatte nur den Sieg erringen können, weil er herausfand, dass die Formics offenbar eine Königin brauchen, die Sie kontrolliert. Nachdem er ihr Schiff vernichtet hatte, waren die übrigen Schiffe ohne Führung. Damit Ender nicht die Königin ausfindig machen muss, hat man eine genetische Waffe gebaut, den kleinen Doktor, die es vermag die gesamte Welt der Formics zu vernichten.
Ein letzter Kampf – Eigentlich ein großer Spoiler!
In seiner finalen Prüfung soll Ender ein Szenario durchspielen, das den Angriff auf den Heimatplaneten und die Buggerflotte zum Inhalt hat. Er dringt tatsächlich bis zum Planeten durch und kann mit dem kleinen Doktor die Flotte und die Planetenoberfläche beschießen. Er gewinnt damit das Szenario und freut sich über seinen Sieg, bis er vom Oberkommando erfährt, dass es sich nicht um eine Simulation handelte, sondern er soeben die echten Schiffe befehligt und somit den Krieg beendet hat. Als Ender erkennt, dass er damit für einen Genozid verantwortlich ist, bricht er zusammen.
Am Ende des Films hat Ender eine Eingebung und verlässt die Sternenbasis um eines der zerstörten Nester auf dem Planetoiden aufzusuchen. Dort findet er das letzte Ei einer Formics-Königin und ihm wird klar, dass die Formics die ganze Zeit versucht haben mit ihm Kontakt aufzunehmen. Er nimmt das Ei an sich um in der Galaxis irgendwo einen Planeten zu finden, auf dem die Rasse neu angesiedelt werden kann.
Buchverfilmung gelungen?
Nun ja, das Buch ja schon ein paar Jahre älter und möglicherweise könnte man argumentieren, das viele der visuellen Elemente erst in den letzten Jahren möglich geworden sind. Orson Scott Card hatte auch schon länger versucht, das Buch zu verfilmen, einige Versionen des Drehbuchs hat er dafür selbst geschrieben aber damit offenbar Produzenten nicht überzeugen können. Die Geschichte ist schon arg beschnitten, die Bedeutung von Enders Geschwistern fällt beispielsweise vollständig raus, was schade ist. Für mich scheint das zentrale Problem, dass man Ender seine Entwicklung, Leistung und sein Charakterwachstum nicht wirklich abnimmt. Es fällt schwer zu verstehen, in was Ender so gut sein soll, denn er scheitert eigentlich nie wirklich, es gibt nur kontinuierliches Wachstum. Enders Unsicherheit und die Gedanken finden im Buch viel Platz, im Film fallen sie raus und werden nicht wirklich durch irgendetwas ersetzt. Kein innerer Monolog und auch das Schauspiel des eigentlich tollen Darstellers hilft nicht zu verstehen, was im Buch seitenlang erklärt wird. Dazu geht der Aufstieg viel zu schnell vor sich, im Buch ist schon die Kampfschule ein psychologischer Hindernisparcours, Ender ist bisweilen verzweifelt. Noch stärker fühlt er sich auf der Kommandoschule ausgenutzt, er ist gequält. Das kommt im Film nicht raus. Der große Reveal am Ende ist so überraschend nicht (aber auch nicht schlecht gemacht), dafür sind die ‚virtuellen Schlachten‘ vielleicht zu realistisch. Und irgendwie bleibt am Ende ein fader Nachgeschmack, also ein ganz anderer als durch das Buch.
Und sonst so?
Handwerklich ist der Film durchaus gelungen. Immerhin hat die Spezialeffektfirma Digital Domain als Produzent die Zügel mit in der Hand gehabt, da sollten die Effekte entsprechend gelungen sein. Oh, aber die haben währenddessen auch Konkurs angemeldet. Nichtsdestotrotz, technisch bleiben kaum Wünsche offen. Wie schon gesagt sind die Schlachten im Kampfsimulator in der Offiziersschule vielleicht sogar zu realistisch.
Trotzdem, mit Stars wie Ford und Kingsley scheint man offenbar überdeck zu wollen, dass insbesondere viele jugendliche Nebenrollen nicht so überzeugend gespielt werden. Die Charaktere sind eigentlich wenig komplex aber manchmal nimmt man den Darstellern selbst das nicht ab. Im Grunde weiß ich nicht genau, woran es hapert, wahrscheinlich merkt man die Löcher des Filmes auch nur mit dem Buch im Hinterkopf. Denn die wichtigen Plotpunkte sind alle da und man kann nicht allen Schauspielern unterstellen, dass sie ihre Rollen schlecht ausfüllen.
Was allerdings negativ auffällt sind die Dialoge, die meist unnötig bedeutungsschwanger daherkommen. Oft sind die auch noch mit Musik unterlegt, die vor Pathos nur so trieft. Ganz schlechte Kombination, zumindest wirkt alles dadurch unnötig aufgesetzt. Sicher, der Zuschauer soll daran erinnert werden, dass alles was Ender tut von großer Bedeutung ist und auf einen Klimax hinausläuft. Aber das haben andere Militärfilme schon durchaus überzeugender umgesetzt.
Fazit
Tja, es ist wieder das leidige Thema: Buch oder Film? Man muss aus meiner Sicht schon allein deswegen dem Buch den Vorzug geben, weil die Geschichte viel dichter und detailreicher erzählt wird. Das fehlt im Film natürlich, obwohl der schon versucht viel in die knapp zwei Stunden zu übernehmen. Aber es funktioniert nicht vollständig. Man kann nicht sagen, dass Ender’s Game erfolglos ist, in den USA kam der Film scheinbar recht gut an. In Deutschland aber nicht unbedingt (außer bei einigen Kritikern), zumindest war er nach nur zwei Wochen im Kino schon wieder verschwunden, zu Unrecht wie ich finde. Metacritic bewertet den Film mit 51 von 100, das Tomatometer steht bei 59. Das zeigt wohl, dass der Film strukturelle Schwächen hat, wie eben die genannten Dialoge und die allzu pathetischen Musikmomente. Die Zuschauerwertung liegt in beiden Fällen aber in den 70ern. Was sagt uns das? Womöglich verstärken sich nur die Schwächen der Story, die eben ohne umfängliche Erklärungen und die für das Buch typischen Blicke in die Köpfe der Charaktere auskommen muss. Aber alles in allem: Wer das Buch noch nicht kennt und sich weniger als zwei Stunden mit dem Enderversum beschäftigen möchte, der findet mit dem Film einen sehr guten Einstieg und sollte sich vielleicht vom Trailer unten motivieren lassen (wenn der Film bei Euch noch läuft). Und das kann ich nur empfehlen! Aber danach muss ich doch dazu raten, den Roman zu lesen, der zumindest bei mir Lust auf mehr gemacht hat. Richtig pfiffig wird es dann eh erst mit den Nachfolgeromanen, aber ob der Sprecher für die Toten auch noch verfilmt wird, steht derzeit noch in den Sternen.
Und noch ein Nachsatz: Wikipedia sammelt derzeit wieder Geld um das Wissen der Welt ein weiteres Jahr zu sammeln. Das sollte uns einen Fünfer Wert sein.
Bilder:
EnderWiggin.net
Official Tumblr