Eine komplexe Story geht so…
Wir treffen den Farmer Cooper (Matthew MacConaughey), der eigentlich mal NASA-Pilot war, auf seiner dahinsiechenden Maisfarm, die stellvertretend für die gesamte USA (=die Welt) steht. Denn in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts scheint sich die Industriegesellschaft zurückzuentwickeln, alle Nutzpflanzen sind von Krankheiten befallen und nur Mais kann noch einigermaßen angebaut werden. Es gibt ständig Staubstürme und auch wenn der Film sich nicht bemüht, das globale Elend adäquat zu bebildern, muss man annehmen, dass es der gesamten Menschheit ziemlich mies geht. Cooper hat einen fünfzehnjährigen Sohn, Tom (Timotheé Chalamet, später Casey Affleck), der in seine Fußstapfen treten will und eine zehnjährige Tochter Murphy (Mackenzie Foy, später Jessica Kastanien), die in Ihrem Zimmer Poltergeister vermutet. Beide vermissen die unlängst verstorbene Mutter, zum Haushalt gehört auch noch Opa Donald (John Lithgow).
Der Poltergeist entpuppt sich als Gravitationsanomalie und durch sie bekommt Cooper Koordinaten, die er mit seiner Tochter aufsucht. Es stellt sich heraus, dass hier die Reste der NASA beheimatet sind, die es offiziell gar nicht mehr gibt. Inoffiziell versucht man hier aber unter Leitung von Professor Brand (Michael Caine) und seiner Tochter Amelia (Anne Hathaway) die Flucht der Menschen von der Erde zu organisieren. Dazu haben sie schon vor 10 Jahren Erkundungsschiffe durch ein spontan erschienenes Wurmloch in der Nähe des Saturns geschickt, die geeignete Planeten in einer anderen Galaxie finden sollten. Das Wurmloch sei von fünfdimensionalen Wesen vorsätzlich geöffnet worden. Nun muss eine Mission den Verbleib dieser Schiffe checken und dafür will man – Trommelwirbel – Cooper als Piloten gewinnen. (Was, wenn der nun nicht zufällig hereingeschneit wäre?) Weil er hofft, seine Familie und die Erde retten zu können und sich eh als Farmer eher unwohl fühlt, beschließt Cooper die Mission anzunehmen, wider des Flehens seiner Tochter, der er aber verspricht, wieder zurückzukommen. (Wichtiger Plotpunkt!)
Die Mission besteht aus Plan A – Informationen über die drei Planeten einholen, von denen Signale gesendet werden in der Hoffnung, dass dort Menschen angesiedelt werden können und diese Information zurück zur Erde bringen und Plan B, nach dem tiefgefrorene Eier im Schiff namens Endurance mitgeführt werden, mit denen die Crew vor Ort eine Kolonie gründen könnte. Präferiert wird Plan A, dafür muss Brand auf der Erde aber noch eine mächtige Gravitationsformel lösen. Scheinbar.
Während Cooper und Crew (u.a. Brands Tochter und diverse schachtelförmige Roboter) also durchs Wurmloch reisen und die Zeit für sie laut Relativitätstheorie langsamer vergeht, gründet Tom auf der Erde eine Familie und pflegt die Farm während Murph dem Professor bei seiner Arbeit hilft. Nachrichten gelangen von der Erde zum Schiff aber nicht zurück. Cooper und Amelia erkunden den ersten Planeten, der sich als unbewohnbar herausstellt. Sie haben nicht genug Treibstoff um beide übrigen Planeten zu besuchen und entscheiden sich für Dr. Manns Planeten, weil dessen Sonde noch sendet.
Auf einem Eisplaneten angekommen (Hoth lässt grüßen) finden sie Dr. Mann (Matt Damon), der in den Resten seines Schiffs im Tiefschlaf liegt. Er verspricht einen Lebensraum unter der Oberfläche und man bereitet die Gründung einer Kolonie vor.
Auf der Erde erfährt Murphy, dass Plan A niemals wirklich zur Debatte stand und man den Astronauten dies nicht erzählt hat. Tatsächlich sollen sie gar nicht zurückkommen, um die Menschen zu retten. Cooper erfährt quasi parallel zu seinen Crewmitgliedern, dass Mann gelogen hat und die Daten gefälscht waren. Romilly überlebt diese Erkenntnis nicht. Vor diesem Hintergrund versucht Mann während eines lauschigen Wanderausflugs Cooper zu beseitigen, was nur knapp misslingt. Mann will zurück zur Endurance und fliehen, aber Cooper und Amelia fliegen ihm hinterher. Weil er das Dockingmanöver verkackt, wird er letztendlich auch unsanft ins All gesaugt und unser Spitzenpilot muss zeigen, was er kann, als er an der leicht beschädigt trudelnden Endrunde andockt. (Spoileralarm: Macht er.) Nochmal Spoileralarm, wer das Ende noch schauen will, sollte die nächsten zwei Absätze überspringen.
Im letzten Akt beschließt Cooper Amelia auf dem dritten Planeten abzusetzen um ihn zu besiedeln (wie sie das allein machen soll bleibt offen, auch mit den ganzen Eiern) und da der Sprit nicht ausreicht, plant er ein Swing-By-Manöver um Gargantua damit die nötige Geschwindigkeit erreicht wird. Außerdem müssen zwei Shuttles abgeworfen werden um das Gewicht zu verringern. Im ersten sitzt TARS, im zweiten bleibt Cooper und beide landen somit mitten in der Singularität. Anstelle einen qualvollen Tod zu erleiden, landen beide mitten in einer surrealen vierdimensionalen Projektion der Wand hinter dem Bücherregal aus Murphys Zimmer auf der Farm. TARS kann Daten über die Singularität sammeln, aber Cooper kann nicht mit Murphy kommunizieren, er kann lediglich Gegenstände beeinflussen und beispielsweise Bücher aus dem Regal werfen. Er übermittelt die Informationen letztendlich im Morsecode mittels der Armbanduhr, die er seiner Tochter hinterlassen hat. Auf der anderen Seite der Zeit ist Murphy in ihrem alten Zimmer um Toms Familie in Sicherheit zu bringen und erkennt letztendlich, dass der Poltergeist ihr Vater ist und welche Information er ihr hat zukommen lassen. Dann wird für Cooper alles dunkel.
Wie macht er das nur?
Christopher Nolan schafft es offenbar immer wieder. Ein Storyschlenker jagd den nächsten und manchmal weiß man gar nicht mehr, worum es eigentlich anfangs ging. Das nötigt einem schon Respekt ab. Bei dieser dreistündigen Odyssee ist das nochmal auf die Spitze getrieben worden, vielleicht etwas zu Lasten eines angemessenen Rhythmus. Denn der Film hat, ähnlich wie eine tatsächliche Reise zum Saturn, einige Längen, bei denen man sich als Zuschauer leider nicht schlafgefrieren lassen kann. Weithin gelobt wird die authentische Darstellung der wissenschaftlichen Realität im All, vieles was man sieht ist eventuell möglich und verdeckt damit gekonnt die eher dramaturgisch motivierten Versatzstücke des Filmes, die es natürlich geben muss.
Aber wenn man Neil deGrasse Tyson glauben darf (hier oder auch hier), dann gibt’s eben auch korrekte Science neben der Fiction.
Technisch ist das sowieso wieder allererste Sahne, was hätte man auch anderes erwartet. Nicht so geil finde ich vielleicht die Musik von Hans Zimmer, der offenbar derzeit Hollywoods Allzweckwaffe ist, aber mir irgendwie noch keinen Soundtrack geliefert hat, der einem Williams, Elfman oder Goldsmith gleichkommt. Ob man ihm (= dem Film) nun die zahlreichen Zufälle abnimmt, die nötig sind, um den Plot nach vorn zu treiben ist eine andere Sache. Wo Kubricks 2001 (der häufig als Vergleichsfilm herangezogen wird) sich durch eine relativ gradlinige Story mit viel Liebe zum visuellen Detail auszeichnet, ist Interstellar offenbar doppelt komplex. Aber anders als im Meisterwerk aus dem Jahre 1968 wird hier tatsächlich zeitgemäße Spannung erzeugt, ein Nervenkrieg nach dem anderen wird vor dem Zuschauer ausgerollt und von klassischen Nolan-Charakteren interpretiert. Insofern kann man nicht wirklich was kritisieren, der Film steht in der Art dessen, was er tut, recht allein da, neben 2001 ist vielleicht noch Contact (1997) thematisch vergleichbar. Oder Gravity (2013), aber den habe ich noch nicht gesehen.
Von mir gibt’s trotz kleinerer Macken 4,5 Sterne, denn das ein Film, der so wissenschaftlich daherkommt doch ein so großes Publikum erreicht (Metascore von 74, User Score 8,5) ist beeindruckend und notwendig, regt es doch unsere kollektive Fantasie an und vielleicht auch den Ehrgeiz, endlich mal wieder an Orte vorzudringen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Und nein, damit meine ich keine Star Trek-Fortsetzung von Abrams. Warum machen die Nolans das eigentlich nicht?
Einige Fotos von space.com und empireonline.com